Bei der ersten Deutschen Automobilausstellung nach dem Ersten Weltkrieg wurde das außergewöhnliche Gefährt offiziell der Öffentlichkeit vorgestellt.
Aufgrund des seinerzeit spektakulären, aerodynamischen Designs hatte dessen Erfinder, der in Wien geborene Edmund Elias Rumpler, das Fahrzeug "Tropfenwagen" genannt. Es war ein in den Zeitungen vielbesprochenes Highlight der Berliner Schau, die am 23. September startete und am 02. Oktober 1921 endete.
Rumpler (1872-1940) war im Deutschland der Jahrhundertwende bereits bei der Allgemeinen-Motor-Wagen-Gesellschaft Berlin, der Daimler-Motoren-Gesellschaft und den Adlerwerken tätig gewesen, bevor er 1906 seine Karriere als selbstständiger Flugzeugbauer begann. Die dabei von ihm und seinem Team gesammelten Erfahrungen konnte er in die Entwicklung des stromlinienförmigen Tropfenwagens einbringen.
Die Konstruktion war für die damalige Zeit nicht nur aus gestalterischer, sondern auch in technischer Hinsicht exotisch. So saß der Fahrer alleine im vorderen Bereich, während hinter ihm Platz für bis zu vier weitere Personen war. Die aufwändigen, gebogenen Scheiben sorgten nicht nur für einen eleganten und windschnittigen Look wie aus einem Guss, sondern trugen auch zu einem erstaunlich geringen Luftwiderstandsbeiwert von 0,28 bei; da können auch heute noch viele Personenwagen nicht mithalten.
So viel Innovationskraft und Gestaltungswille hatten dann auch ihre Schattenseiten: Das technisch ambitionierte Gefährt, hergestellt in den Rumpler-Werken im Berliner Stadtteil Johannisthal, hatte allerlei Kinderkrankheiten, etwa eine mangelhafte Lenkung und einen störanfälligen Sechszylindermotor. In den ersten Versionen des Tropfenwagens, der während der Produktion mehrfach überarbeitet wurde, gab es nicht einmal einen Kofferraum, erst später wurde Platz für Gepäck geschaffen.
Schon 1925 wurde die Produktion des Tropfenwagens eingestellt, ein Jahr später die Rumpler Werke AG Berlin aufgelöst. Gerade einmal hundert Fahrzeuge wurden hergestellt. Viele davon sollen in Berlin als Taxi zum Einsatz gekommen sein. Eine Einstellung aus Walter Ruttmanns "Berlin – Die Sinfonie der Großstadt" (D 1927) zeigt einen mit dem damals für Taxis typischen schwarz-weiß gekachelten Streifen versehenen Tropfenwagen auf einer Straße geschmeidig dahinsausen (Minute 62 in der von Edition Filmmuseum veröffentlichten DVD-Fassung).
Heute ist das Fahrzeug über Oldtimer-Fankreise hinaus vor allem wegen seines Einsatzes in Fritz Langs "Metropolis" bekannt. Der monumentale Science-Fiction-Film wurde in den Jahren 1925 und 1926 ganz überwiegend in Berlin gedreht und kam am 10. Januar 1927 in die Kinos. Der seinerzeit teuerste deutsche Kinostreifen, ein Flop an den Kinokassen und erst in den letzten Jahrzehnten zum Kultfilm gereift, spart nicht an erstaunlichen optischen Effekten und einem ausufernden Produktionsdesign, das zwischen futuristischen Designeskapaden, außergewöhnlichen Alltagsgegenständen und düsterem Expressionismus changiert. Die UFA-Produktion sollte Maßstäbe im internationalen Kinobusiness setzen, wurde aber zum finanziellen Debakel für Deutschlands größten Filmkonzern.
Der futuristisch anmutende Tropfenwagen unterstrich die hochgesteckten gestalterischen Ambitionen der Produktion und fügte sich gut in das einzigartige Setdesign des Films ein. Der augenfälligste Einsatz des Fahrzeugs in "Metropolis" ist zugleich eine Stich ins Herz aller Autofans: In der Schluss-Szene wird der Rotwangsche Kunstmensch, der legendäre Roboter im Art-Déco-Stil, auf einem Scheiterhaufen verbrannt, der aus zwei Rumpler-Fahrzeugen und allerlei Gerümpel aufgetürmt wurde. Die flachen Autodächer bildeten dabei eine Art Plattform, auf der sich die dramatische Szenerie wie auf einer Theaterbühne entfalten konnte. Flammen und Rauch umhüllten die Fahrzeuge und es gehört wenig Fantasie dazu, sich den erbärmlichen Zustand der Tropfenwagen nach Drehschluss vorzustellen. Immer wieder ist in verschiedenen Aufsätzen zu "Metropolis" und über das Rumpler-Auto zu lesen, dass alle bei dem Film verwendeten Tropfenwagen in dieser Szene vernichtet wurden. Dies ist augenscheinlich nicht der Fall, denn in zwei weiteren Filmszenen sind mehr als zwei Fahrzeuge gleichzeitig zu sehen.
So gibt es in Minute 35 (bezogen auf die Blu-ray der Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung) eine Parkplatzszene, in der insgesamt drei Tropfenwagen bei den Aufnahmen zum Einsatz kamen. In der Filmfassung sind aufgrund des schwachen Kontrastumfangs des Bildes lediglich zwei Fahrzeuge eindeutig zu identifizieren, ein Produktionsfoto aus dem Archiv der Deutschen Kinemathek zeigt im Gegensatz dazu die Aufnahmesituation in aller Deutlichkeit: Es waren drei Rumpler-Fahrzeuge am Filmset.
Interessant ist auch eine Szene bei den Minuten 131 bis 132. Schauspieler Theodor Loos läuft in seiner Rolle als Josaphat auf einer V-förmig gebogenen Brücke zwischen einer Vielzahl stehender Fahrzeuge umher. In den zwei aus einem identischen Blickwinkel aufgenommen Einstellungen lassen sich drei Tropfenwagen im Vordergrund eindeutig ausmachen. Zudem sind drei weitere Fahrzeuge mutmaßlich ebenfalls Rumpler, sie lassen sich aufgrund der eingeschränkten Bildqualität und da sie sich im Hintergrund befinden allerdings schlechter identifizieren. Es kann also mit einiger Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass während der Aufnahmen für "Metropolis" nicht alle für die Produktion angeschafften Tropfenwagen vernichtet wurden, insbesondere nicht für die finale Scheiterhaufen-Szene.
Nach heutigem Stand haben nur zwei von den insgesamt hundert produzierten Tropfenwagen die Jahrzehnte überstanden. Diese befinden sich je einer im Deutschen Technikmuseum in Berlin und im Deutschen Museum in München. Das Fahrzeug in der bayerischen Landeshauptstadt hat dazu noch eine ganze besondere Geschichte: Es handelt sich hierbei um den ersten hergestellten Tropfenwagen, der 1925 von Rumpler persönlich dem Museum gestiftet wurde. Die Besucher*innen können es nun aus nächster Nähe in der Dauerausstellung betrachten und sich davon überzeugen, dass der Rumpler Tropfenwagen ein ganz besonderes Fahrzeug ist – ob in echt oder in "Metropolis".
Autor: Frank Hoyer
Linktipps:
Wikipedia
Filme von Pathé mit dem Tropfenwagen auf YouTube: Video 1Video 2
Deutsches Technikmuseum Berlin
Deutsches Museum München