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100 Jahre "Das Cabinet des Dr. Caligari"

Am 26. Februar 1920 fand im Berliner Kino Marmorhaus die Premiere von Das Cabinet des Dr. Caligari statt. Der Film gilt als einer der bedeutensten der Kinogeschichte und als ein Schlüsselwerk des deutschen Films.

Die Produktion der Decla-Film-Gesellschaft Berlin unter Leitung der Produzenten Rudolf Meinert und Erich Pommer erzählt die Geschichte eines unheimlichen Wanderausstellers, der mithilfe seines schlafwandlerischen Gehilfen Angst und Schrecken in einem Städtchen verbreitet und dabei nicht vor Mord zurückschreckt. Ergänzt wird die Szenerie durch eine Rahmenhandlung, die die Protagonisten des Geschehens als Insassen einer Nervenheilanstalt verortet.

Unter der Regie von Robert Wiene spielten Werner Krauß, Friedrich Fehér, Lil Dagover, Conrad Veidt und Hans Heinrich von Twardowski. Der Film nach einem Drehbuch von Hans Janowitz und Carl Mayer besticht auch heute noch durch seine außergewöhnliche expressionistische Ausstattung, die von Hermann Warm, Walter Reimann und Walter Röhrig kreiert wurde und die in dieser Form bei der Veröffentlichung des Films ein Novum auf der Kinoleinwand war. "Caligari" war sowohl im In- als auch im Ausland ein großer Erfolg an den Kinokassen und zog viel Aufmerksamkeit der internationalen Kinoindustrie auf den Filmstandort Deutschland, der im Begriff war, sich international aufzustellen.

"Caligari" wird als Vexierbild eines gesellschaftlich, wirtschaftlich und politisch zerrissenen Deutschlands nach den Schrecken des Ersten Weltkriegs interpretiert. Für den Filmtheoretiker Siegfried Kracauer war der Film Kristallisationspunkt seines bedeutenden Buchs "From Caligari to Hitler", ein Standardwerk über den deutschen Stummfilm. Dort versuchter er anhand der Filmgeschichte die soziale Struktur der deutschen Gesellschaft von den Anfängen des Mediums im ausgehenden 19. Jahrhundert bis zur Machtergreifung der Nazis zu deuten. Das Buch war 2014 Grundlage für einen Dokumentarfilm von Rüdiger Suchsland mit gleichem Titel

Die Friedrich-Wilhem-Murnau-Stiftung hat "Das Cabinet des Dr. Caligari" im Jahr 2014 aufwändig in 4k digital restauriert. Grundlage war das originale Kameranegativ aus dem Bestand des Bundesarchivs. Fehlende Stellen, darunter die erste Filmrolle, und die Einfärbung wurden anhand zahlreicher Kopien aus internationalen Filmerbeeinrichtungen ergänzt bzw. rekonstruiert. Einen Einblick in die Restaurierung geben verschiedenen Videos auf YouTube (hier, hier und hier). Der Film liegt als Blu-ray und DVD (Universum FIlm) mit einem ausführlichen Booklet, einer fünfzigminütigen Dokumentation von Rüdiger Suchsland und weiterem Bonusmaterial vor.

Hier einige Fundstücke zum Jubiläum und zum Film:

♦ Bis 01. März 2021 war in der Deutschen Kinemathek in Berlin die Sonderausstellung "Du musst Caligari werden! Das virtuelle Kabinett" zu sehen. Einen filmischen Einblick in die Schau gab es auf vimeo. Der Berliner Tagesspiegel und taz.de berichteten, neben verschiedenen anderen Medien, über die Ausstellung. Das Virtual-Reality-Projekt "Der Traum des Cesare" wurde bei Professionell Production vorgestellt und ist auf YouTube zu finden.

♦ Literaturtipps:
- Olaf Brill: Der Caligari-Komplex, Belleville-Verlag
- Ilona Brennicke, Joe Hembus: Klassiker des deutschen Stummfilms 1910-1930. Goldmann-Verlag
- Siegfried Kracauer: Von Caligari zu Hitler – Eine psychologische Geschichte des deutschen Films, Suhrkamp-Verlag
- Lotte H. Eisner: Die dämonische Leinwand, Fischer-Verlag
- Sabine Schwientek: Dämon der Leinwand – Conrad Veidt und der deutsche Film 1894-1945, Schüren-Verlagt3://record?identifier=tx_news&uid=866

Filme, die mehr oder weniger direkt auf "Das Cabinet des Dr. Caligari" Bezug nehmen (Auswahl):
Die große Liebe einer kleinen Tänzerin (D 1924)
Das Kabinett des Dr. Larifari (D 1930)
The Cabinet of Caligari (USA 1962)
Das Kabinett des Dr. Parnassus (Großbritannien/Kanada 2009)

♦ Weiterführende Infos:
Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung
Filmportal
IMDB
Wikipedia
Autorin Bettina Müller auf Stummfilm Magazin über den Schauspieler Conrad Veidt
Stummfilm Magazin-Herausgeber Frank Hoyer über den Schauspieler Hans Heinrich von Twardowski

Credits
Titel: Das Cabinet des Dr. Caligari
Regie: Robert Wiene
Drehbuch: Hans Janowitz, Carl Mayer
Kamera: Willy Hameister
Ausstattung: Walter Reimann, Hermann Warm, Walter Röhrig
Darsteller: Werner Krauß, Conradt Veidt, Lil Dagover, Friedrich Fehér, Hans Heinrich von Twardowski, Rudolf Lettinger, Rudolf Klein-Rogge
Produktionsfirma: Decla-Film-Gesellschaft Berlin
Produzent: Rudolf Meinert, Erich Pommer
Uraufführung: 26.02.1920 im Mamorhaus in Berlin

Autor und Bild: Stummfilm Magazin/Frank Hoyer