Amerikanischer Slapstick-Klassiker mit Monty Banks im Bundesarchiv wiederentdeckt

Der Stummfilmmusiker Richard Siedhoff, der 2018 die verschollen geglaubte Originalmusik zu "Der Golem, wie er in die Welt kam" (D 1920) entdeckte, hat nun erneut einen spannenden Fund gemacht – die lange nur in Teilen überlieferte Slapstick-Komödie “Play Safe” mit dem Komiker Monty Banks. 

Filmenthusiast:innen hofften schon lange auf das Auftauchen einer vollständige Version des Films. Stummfilm Magazin sprach mit Richard Siedhoff über seine Entdeckung, den Film und den Stummfilmkomiker.

Sie hauchen normalerweise mit Ihren Begleitmusiken Stummfilmen neues Leben ein. Nun haben Sie die bislang nur fragmentarisch überlieferte amerikanische Slapstick-Komödie “Play Safe” mit Monty Banks wiederentdeckt. Wie kam es dazu?

Monty Banks gehört zu den zu Unrecht vergessenen Stummfilmkomikern und Regisseure. Dabei war er insbesondere in Europa sehr erfolgreich. Er war einer der wenigen, die den Sprung zum Langfilm fast mühelos schafften. In Erinnerung ist er aber nur für eine gigantische Eisenbahn-Verfolgungsjagd geblieben, die Robert Youngson 1961 in seiner Slapstick-Kompliation “Days of Thrills and Laughter” ("Jubel, Trubel, Sensationen") verwendete. Diese Sequenz stammt aus dem 1925 entstanden Film “Play Safe”, den seither aber niemand mehr komplett sehen konnte.

Wie war bislang die Quellenlage?

Es gab von dem etwa sechzigminütigen Film die 1927 entstandene Kurzfassung »Chasing Choo Choos« von zwanzig Minuten Länge. Dave Glass hat letztes Jahr im Zuge eines Kickstarter-Projekts für eine Bluray-Edition zu Monty Banks versucht, alle Materialien des Films wieder zusammen zu bringen, u.a. eine leider sehr unvollständige Nitro-Kopie der Originalfassung aus der Library of Congress. Einige Szenen fand er in Russland, dann in einer 16mm-Kopie von “Chasing Choo Choos” und sogar in einer französischen 9,5mm-Kopie. Trotzdem fehlten noch ungefähr zehn Minuten und der Film wirkte sehr holprig. Viele Details waren unverständlich und fragmentarisch, was dem Film nicht gut tat. Es fehlten einfach viele kleine Sequenzen im Filmverlauf, von wenigen Sekunden bis zu dreieinhalb Minuten Länge. Dadurch war der Rhythmus und die Eleganz des Films empfindlich gestört. 

Wie kamen Sie der vollständigen Kopie auf die Spur?

Ich habe meine eigene 16mm-Kopie von »Chasing Choo Choos« des Öfteren hier und da aufgeführt. Bei einer dieser Vorstellungen saß die Bibliothekarin Simone Bieniek im Publikum, die gerade alte Programmhefte für die Bibliothek der Bauhaus-Universität Weimar katalogisierte. Sie erkannte auf dem Titelblatt eines Heftes den Film wieder und informierte mich darüber. Und so wusste ich dann den deutschen Titel von “Play Safe”: “Donnerwetter, Monty Banks!”. Unter diesem Titel fand ich dann eine mit 1.554 Metern (ca. 60 Minuten) erstaunlich lange Nitro-Kopie im Bundesarchiv-Filmarchiv verzeichnet. Das es sich dabei um “Play Safe” handelte, ging bisher aus keiner Datenbank hervor. 

Was ist das Besondere an dieser Nitro-Kopie?

Es handelt sich um eine originale Kino-Kopie von 1928 von der deutschen Fassung des Films. Ein wunderschönes Unikat, möglicherweise direkt vom europäischen Kameranegativ gezogen, hervorragend erhalten, ohne erkennbare Sprünge, ohne nennenswerte Schäden und zudem noch dreifarbig viragiert – Blaugrün für Regenszenen, Rotbraun für Innenräume und Sepia für Außenaufnahmen – genauso wie die Originalfassung. 

Nitro-Kopien sind ja bekanntlich feuergefährlich und zersetzen sich mit der Zeit …

Ja, es ist schon ein Glückfall, dass das Filmmaterial noch existiert und es auch gründlich archiviert wurde. Allerdings ohne zu wissen, worum es sich bei dem Streifen genau handelte. Zeitnah beantragte ich eine "Digitalisierung on demand“, also eine Sicherung ohne restauratorische Eingriffe. 

Wann wird der Film in dieser umfassenden Version der Öffentlichkeit vorgestellt?

Am 22. Dezember um 19:30 gibt es den Film als neue “Uraufführung” im Lichthaus Kino Weimar zu erleben. Zusammen mit Monty Banks‘ Kurzfilm “Immer der letzte” alias “Always late” von 1923 – auch ein bis jetzt verschollen geglaubter Film. Ich mache mir damit auch selbst ein Geschenk, denn ich werde den Film selbst live musikalisch begleiten, 99 Jahre nach seiner Entstehung und damaligen Kinopremiere. Dann hoffe ich, dass sich auch andere Kinos und Festivals sich für Monty Banks‘ Filme interessieren.

Was können Sie uns über Monty Banks berichten? Vielen ist er ja heute kein Begriff mehr …

Monty Banks war ein gebürtiger Italiener, der 1914 in Amerika zum Film kam. Er spielte kleine komische Nebenrollen, sogar als Ersatzmann für Buster Keaton, als dieser während seiner Zeit bei Roscoe “Fatty” Arbuckle zum Kriegsdienst eingezogen wurde. Er drehte auch bei Larry Semon und wurde bald so beliebt, dass er Anfang der 1920er eigene Kurzfilme drehen konnte und schließlich 1924 als Starkomiker zum Spielfilm wechselte. Die ersten vier Filme waren extrem temporeich und sehr erfolgreich. Sein dritter Spielfilm, der aber erst als vierter veröffentlicht wurde, ist “Play Safe”. Das actionreiche Finale gehört mit zum temporeichsten, was der Stummfilm zu bieten hat. Monty Banks vollführt darin Stunts, die denen von Buster Keaton und Harold Lloyd ebenbürtig sind. Daneben gibt es aber auch einige sehr rührende Momente mit der Hauptdarstellerin Virginia Lee Corbin. Er war ein großartiger Akrobat und hervorragender Pantomime.

Ist die Filmfigur Monty Banks vergleichbar mit den Größen des Fachs, also Chaplin, Keaton und Lloyd?

Montys Charakter ist ein liebenswerter alltäglicher kleiner Mann, der sich manchmal etwas chaplinesk bewegt, aber eher in der Welt von Harold Lloyd befindet und immer wieder absurd-groteske Situationen meistern muss. Seinen Filmen fehlt zwar der Tiefgang von Chaplin und er hat nicht das Surreale von Keaton, aber als reine Komödien sind sie zauberhaft. Seine Filme sind keine bloßen Stilkopien der großen Komiker, sondern durchaus eigenständige kleine Meisterwerke des visuellen Humors. Er hatte bei einigen Filmen auch die gleichen Gagschreiber wie Lloyd und Keaton: Jean Havez, Lex Neil und vor allem Clyde Bruckmann – alles Genies, die die großen Slapstick-Komödien nachhaltig geprägt haben. In den Jahren 1926 bis 1930 wimmelt die deutsche Presse übrigens von Anzeigen und Kritiken der Monty-Banks-Filme, er war fast so erfolgreich wie Keaton und Lloyd. Er war sogar so bekannt, das seine Sequenz aus seinem Film “Horse Shoes” (USA 1927) alias “Hochzeitsreise” in den 1950er Jahren Bestandteil des deutschen Kompilationsfilms “Lache ohne Ende” wurde – auf Augenhöhe mit Chaplin und Keaton. Er war dem Nachkriegspublikum wohl immer noch ein Begriff.

Ist auf weitere Entdeckungen mit Monty Banks zu hoffen?

Ja, zum Beispiel lag im Bundesarchiv auch eine Nitro-Kopie des verschollenen Monty-Banks-Kurzfilms “Always late” von 1923. Diese war sogar schon digitalisiert. Dave Glass entdeckte von dem Film vor einiger Zeit die ersten fünf Minuten im Cinema Museum London. So wurde ich darauf aufmerksam. Jetzt ist auch dieser wieder komplett verfügbar, und zwar in der deutschen Fassung “Immer der Letzte”. Es scheint, dass noch zwei weitere Kurzfilme von Monty Banks und die deutsche Fassung seines Spielfilms “Flying Luck” (USA 1927) unter dem Titel “Hoppla, wir fliegen” auf uns warten. Letzterer ist zwar nicht verschollen, aber die mir bekannte amerikanische Fassung hat deutliche Lücken. Vielleicht lassen auch diese sich jetzt schließen. Schön wäre es, wenn auch seine anderen Spielfilme verfügbar gemacht würden. Denn tatsächlich ist das stumme Werk von Monty Banks nur fragmentarisch überliefert. Viele Filme gelten als ganz verschollen. Sein Spielfilmdebut “Racing Luck” (USA 1924) beispielsweise, soll in Belgien und Moskau noch in den dortigen Archiven liegen. Aufgeführt wurde er aber wahrscheinlich seit den 1920ern nicht mehr, obwohl er damals von einem Kritiker besser als Harolds Lloyd “Safety Last!” (USA 1923) eingestuft wurde.

Wir danken Ihnen sehr für die interessanten Einblicke und wünschen der Kino-Wiederaufführung von “Play Safe” am 22. Dezember 2024 in Weimar viel Erfolg!
Das Interview führte Frank Hoyer. 

Linktipps:
Internetseite von Richard Siedhoff
Monty Banks (Wikipedia)
Monty Banks (IMDB)
"Always late” (USA 1923) im “Digitalen Lesesaal” des Bundesarchivs
“Play Safe” (USA 1925) im “Digitalen Lesesaal” des Bundesarchivs 
Deutscher Stummfilmpreis für Richard Siedhoff für die Musikrekonstruktion zu "Der Golem, wie er in die Welt kam"

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