robert baur portrait 250Von Dr. Robert Baur

Zugegeben: Vor meiner Erleuchtung weilte ich im Tal der Ahnungslosen. Zum Thema Stummfilm fiel mir nur Dick und Doof ein. Und Chaplin natürlich. Und die Straßenkämpfer, die sich im Geschichtsunterricht Ende der Weimarer Republik die Köpfe einschlugen. Immer flimmernd und so hektisch, dass wir Schüler dachten, die Jungs hätten Amphetamine konsumiert.

Dann kam Metropolis. Arte zeigte gnädigerweise die restaurierte Fassung. Da war es um mich geschehen. Ich staunte über die Qualität des Werks, das Zusammenspiel von Licht und Schatten, die Bauten und die Kameratechnik. Noch wusste ich nichts über den genialen Filmarchitekten Erich Kettelhut, ein Tüftler und Erfinder. Noch wusste ich nicht, wie der perfektionistisch unerbittliche Regisseur Fritz Lang seine Schauspieler gequält hatte. Vor allem die blutjunge Debütantin Brigitte Helm hatte er durch die Katakomben gejagt und sie in eine Rüstung gezwängt, dass ihr die Luft wegblieb. Atemlos bin ich ihr gefolgt, durch das futuristische Metropolis, jener Stadt der Zukunft, mit ihren Wolkenkratzern, Straßenschluchten und Bildtelefonen. Aus Brigitte Helm wurde ein Star, doch mit Lang hat sie nie mehr gedreht.

Erst später wurde mir klar, dass die Entstehung des frühen Science-Fictions noch spannender war als der Film selbst. Im Kreis der Investoren hätte ich Mäuschen spielen wollen, hätte ihre empörten Gesichter sehen wollen, als der Produzent eine Million Reichsmark nach der anderen forderte. Dabei war die finanzielle Situation der UFA desaströs. Doch was hätte man tun sollen? Längst hatte die Marketing-Abteilung die Berliner heiß gemacht. Woche für Woche wurden Celebrities nach Babelsberg geschleppt und die Magazine überboten sich mit Superlativen. Und schließlich wollte man es den Amerikanern zeigen: Auch wir können Ben Hur, auch wir können mit anspruchsvollen Blockbustern Geld verdienen!

Später hatte man Fritz Lang für die Pleite der UFA verantwortlich gemacht. Der rechtsnationale Alfred Hugenberg hatte sich die Firma unter den Nagel gerissen. Aber das ist eine andere Geschichte. Ich jedenfalls hatte Blut geleckt und war bereit, weitere Schätze des Stummfilms zu entdecken.

Dr. Robert Baur schreibt Krimis aus dem Berlin der 1920er-Jahre. Sein Debütroman „Mord in Metropolis“ (2014) spielt mit der Entstehungsgeschichte des gleichnamigen Films. Exkommissar Grenfeld ermittelt an den Drehorten in Babelsberg. 2016 folgte „Engelsflug“ und 2018 „Blutmai“. Alle Romane sind im Gmeiner-Verlag erschienen. mehr
Foto: privat

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